Wer suchet, wird finden
Wellen nutzen zur Lokalisierung dank ihrer dreidimensionalen Ausbreitung
Eine Welle breitet sich in alle Richtungen aus. Liegen innerhalb ihrer Reichweite genügend Empfänger, kann aus den
empfangenen Signalen der Entstehungsort der Welle bestimmt werden. Möchten wir den eigenen Standort bestimmen,
machen wir uns zunutze, dass Wellen von verschiedenen Orten bei uns eintreffen.
Erdbeben und Gravitationswellen
Mit Erdbebenwellen kann man bestimmen, wo das Beben entstanden ist (Erdbebenherd). Dazu nutzt man Messgeräte, die Erdbebenwellen «hören». Je näher ein solches Seismometer beim Erdbebenherd liegt, desto eher treffen die Wellen ein. Kennen wir ihre Ankunftszeiten an verschiedenen Seismometern, können wir grob eingrenzen, in welcher Richtung der Erdbebenherd liegt.
Für eine genaue Lokalisierung müssen wir von jedem Seismometer die Entfernung zum Erdbebenherd ermitteln. Dazu dient uns, dass verschiedene Erdbebenwellen zwar gleichzeitig entstehen, aber zu unterschiedlichen Zeiten an einem Seismometer eintreffen: Nahe des Erdbebenherds ist die Zeitdifferenz zwischen P-Welle und langsamerer S-Welle gering; mit zunehmender Entfernung wird sie immer grösser. Daraus lässt sich zusammen mit den Wellengeschwindigkeiten die Entfernung vom Seismometer zum Erdbebenherd berechnen. Kombiniert man alle Entfernungen, wissen wir, wo der Erdbebenherd liegt. Je mehr Orte wir kennen, an denen Erdbeben auftreten, desto genauer können wir einschätzen, wie gefährdet eine Region ist.
Auch die Auslöser von Gravitationswellen im All können lokalisiert werden. Mit der Mission LISA ist die Messung von Gravitationswellen mittels dreier Satelliten im All geplant. Hier gibt es weniger Störsignale als auf der Erde und die Messgeräte können extrem weit voneinander weg platziert werden. Dadurch sollen nicht nur feinere Messungen, sondern auch genauere Lokalisierungen als auf der Erde erreicht werden.
Geräusche
Wir können ein Geräusch nicht nur hören, sondern auch einschätzen, woher es kommt. Besonders gut unterscheiden wir, ob ein Geräusch von rechts oder links kommt. Dies gelingt, weil unsere Ohren rechts und links am Kopf sind und das Ohr, das näher an der Geräuschquelle ist, die Schallwelle minimal früher empfängt.
Zudem können wir abschätzen, wie weit eine Geräuschquelle entfernt ist. Dazu wertet unser Gehirn die Lautstärke und die Wellenlänge des empfangenen Schalls aus: Je weiter die Quelle entfernt ist, desto leiser ist das Geräusch und desto weniger kleine Wellenlängen (hohe Töne) sind darin vorhanden, weil diese schnell gedämpft werden.
Bei Tieren, die Schall zur Orientierung und Beutejagd nutzen, ist die Genauigkeit der Lokalisierung viel höher als beim Menschen. Sie können viel besser oben von unten und vorne von hinten unterscheiden. Bei Fledermäusen liegt das wahrscheinlich an der Beschaffenheit der Ohrmuscheln, bei einigen Eulenarten an den versetzt angeordneten Ohren.
Delfine können auch sehr gut Geräusche orten, hören aber ganz anders: Der Schall wird vom Wasser direkt in den Unterkieferknochen übertragen. Welchen Einfluss diese Knochenleitung auf die Genauigkeit der Lokalisierung hat, ist auch interessant für die Medizin, denn Knochenleitungsimplantate werden beim Menschen bereits gegen Schwerhörigkeit eingesetzt.
Standortbestimmung
Ein Standort lässt sich mit Navigationssystemen wie GPS (Global Positioning System) bestimmen. So wissen wir, wo wir sind, und Flugzeuge können ihrer Flugroute folgen.
Für eine Standortbestimmung empfangen wir Signale von mehreren Satelliten. Diese elektromagnetischen Wellen übermitteln uns die Positionen der Satelliten sowie die exakten Sendezeitpunkte der Wellen. Zusammen mit dem Empfangszeitpunkt bestimmt unser GPS-Gerät, wie lange jedes Signal unterwegs war. Diese Zeit kombiniert mit der Wellengeschwindigkeit – der Lichtgeschwindigkeit – ergibt die Entfernungen zu den jeweiligen Satelliten. Haben wir von mehreren Satelliten diese Information, können wir den eigenen Standort bestimmen.
Die Standortbestimmung ist ungenau, wenn die Signale nicht mit der angenommenen Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Wellen auf ihrem Weg durch Gebäude verlangsamt werden. Ausserdem können Wellen durch Wetterphänomene abgebremst werden. Die vom GPS-Gerät verwendete Lichtgeschwindigkeit ist dann zu hoch und damit die berechnete Entfernung zum Satelliten zu gross.